Sanierung und Restaurierung des
KUTI-e BAGHTSCHA mit Nebengebäuden, Kabul
 
 
   
 
                                 
  1. STÄDTEBAULICHE LAGE  
  2. BAUBESCHREIBUNG UND CHRONOLOGIE  
  3.  ÜBERBLICK ÜBER NOTWENDIGE ERHALTUNGSMAßNAHMEN  
  4. FUNKTION  
  5.  ZEITPLANUNG  
                               
                                 
                                 
1. STÄDTEBAULICHE LAGE   
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Amirs Pavillon „Kuti-e Baghtscha “ ist im Arg-Komplex gelegen, dem früheren Königs- und heutigen Präsidentenpalast in Kabul. Der Arg umfasst eine große Fläche des Stadtraums von Kabul und wird durch den Wechsel von großzügigen Grünanlagen und zumeist repräsentativen Bauten charakterisiert.
Die Haupterschließung des heutigen Arg-Komplexes erfolgt über eine Magistrale, die zwischen dem im Nordosten der Stadt gelegenen Flughafen und den Bergen im Südwesten der Stadt gespannt ist. Die Zitadelle, Keimzelle des Arg, wurde von König Amir Abdur Rahman in den Jahren 1880-1901 erbaut; die nachfolgenden Könige ergänzten den Komplex durch weitere Bauten. Ursprünglich war die Zitadelle von einem Wassergraben umgeben. Heute befindet sich dort die Erschließung des Komplexes.
Der Amirs Pavillon beherbergende rückseitige Teil der Zitadelle besteht aus drei nebeneinander angeordneten Höfen.
Jeder dieser drei Höfe hat einen eigenen Zugang von einer in der Zitadelle gelegenen Allee aus.

Der nördliche Hof ist der Privatgarten zu jenem Gebäude, das heute von Präsident Karzai genutzt wird.
Der mittlere Hof beherbergt die alte Residenz des Königs.
Im quadratischen südlichen Hof erhebt sich an zentraler Stelle das zweigeschossige Kuti-e Baghtscha Gebäude.

 
 

In seiner ursprünglichen Form ist es als Oktogon konzipiert. Der überkuppelte, achteckige und über beide Geschosse reichende Zentralraum bildet die Mitte des klassischen Paradiesgartens.
Der Pavillon stellt so etwas wie eine „Keimzelle“ der afghanischen Nationenbildung dar. Als Sitz verschiedener Herrschaftsgenerationen wurde im gesamten Palastkomplex im letzten Jahrhundert afghanische Geschichte geschrieben. Hier wurden Könige gekrönt, aber auch getötet
(König Nadir Shah, 1933; Präsident Taraki, 1982).
Einst beherbergte Amirs Pavillon einen Teil des afghanischen Nationalmuseums (1924); die Sammlung wurde erst 1931 in das heutige Gebäude in Darulaman verlegt.


 
 

In den Jahren nach 1979 (Einmarsch der Sowjetischen Truppen) verfiel der Arg-Komplex zunehmend und wurde durch Kriegshandlungen beschädigt. 1990/91 erfolgten Restaurationsarbeiten, die in den folgenden Bürgerkriegsjahren zunichte gemacht wurden.
Nach November 2001, dem Ende des Talibanregimes, wurde mit dem Wiederaufbau des Arg-Komplexes begonnen, um die Gebäude wieder als Sitz des Präsidenten nutzen zu können und um so die alte Symbolik und nationale Bedeutung der Zitadelle
zu unterstreichen. Der Pavillon Kuti-e Baghtscha ist bis heute unrestauriert. Einige weitere Gebäude ohne kunsthistorische Bedeutung sind ebenfalls in sehr schlechtem Zustand.

Der Hof des Kuti-e Baghtscha ist wie auch die beiden anderen Höfe als ummauerter Hortus Conclusus ausgebildet. Die vier Ecken des Gartens wurden in einer zweiten Ausbauphase 1933/34 mit schlichten Funktionsgebäuden abgeschrägt.
Das nordöstliche Eckgebäude existiert nicht mehr, das in der nordwestlichen Ecke gelegene Gebäude diente als Badehaus, auch das im Südwesten gelegene Eckhaus diente primär zu sanitären Zwecken. Es ist wie auch das in der südöstlichen Ecke gelegene rechteckige Haus, das in seiner Funktion eher einem Bedienstetenhaus entspricht in einem verwahrlosten Zustand. Auch der Pavillon Kuti-e Baghtscha selbst erhält in dieser Phase an seiner Südseite einen die klare geometrische Grundform des auf dem Quadrat basierenden Oktogons verunklarenden zweigeschossigen Anbau.

Der Garten wird von drei Seiten von Mauern umschlossen.
An der Nordseite begrenzt ein neoklassizistischer Bau von 1933 / 34 den Garten.
Dieses streng symmetrische repräsentative Gebäude öffnet sich mit einer zentralen Loggia im Mittelrisalit zum Gartenhof. Von der Loggia aus führt eine breite Treppe in den Garten. Das so genannte „Freitag-Haus“ Khana e Shab e Juma diente als Versammlungshaus der Königsfamilie und ist einem westlichen Rauchersalon vergleichbar. Seiner Lage wegen als eine Seitenwand des Gartens und auch hinsichtlich seiner Funktion und Qualität stellt dieses Gebäude einen wesentlichen Bestandteil des Gartens des Pavillons Kuti-e Baghtscha dar.

 
 
                         
 
                             
                             
2. Baubeschreibung und Chronologie
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Grundrisse EG und OG des Kuti-e-Baghtscha  

Baubeschreibung -

Der 1880 ff. als Gartenpavillon errichtete zweigeschossige Bau hat einen achteckigen Grundriss mit vier runden Ecktürmen, die sich in der Außenansicht ehemals vor allem durch die Kuppeln hervorhoben, in der Fassadenansicht wirken die Ecken abgerundet. Nordwestlich bzw. südöstlich sind in den Ecktürmen Wendeltreppen zur Erschließung des Obergeschosses untergebracht. Nördlich und südlich sind dem Bau Portalanlagen vorgestellt, die West- und Ostseite zieren mittig je kleine halbrunde Anbauten (Konchen).

Der Sockel des Pavillons ist allseitig mit weißen Marmorplatten verkleidet. Auch die Stufen an den Portalen sind aus weißem, regional anstehendem Marmor gefertigt. Alle Fassaden sind aufwendigst mit ornamentalem Dekor stuckiert. Das Innere zeigt einen Zentralraum über beide Geschosse mit prachtvoll dekorierter Kuppel. Den Zentralraum erschließen vier breite Zugänge.
Die übrigen Flächen füllen kleine Kabinette mit irregulären Grundrißfigurationen und kompliziert verzogenen Gewölben. Alle Räume sind unter- und miteinander durch kleine Türen verbunden und ermöglichen ein Umschreiten des Zentralraumes mit immer wieder wechselnden Perspektiven auf diesen oder ermöglichen im Obergeschoß Austritt auf zahlreiche kleine Balkone und Blick in den Garten. Alle Wand- und Gewölbeflächen im Innern sind in unterschiedlichen Techniken dekoriert – es dominieren Vergoldungen, in der Kuppel des Zentralraums eingelegte Spiegelflächen, zahllose, teppichartig die Wandflächen zierende Malereien, polierte und intarsierte Holzoberflächen und reiche Stukkaturen. Die aufwendige Gestaltung im Innern ist hochkomplex.

Alle Außentüren und Fenster gewähren Blick in den Garten, wie umgekehrt vom Garten aus immer wieder wechselnde Ein- und Durchblicke auf bzw. durch den Pavillon möglich sind. Ein kreisförmig den Pavillon umschließender weißer Marmorbelag leitete ursprünglich direkt zu den ebenfalls aus weißen Marmorplatten bestehenden Wegen und verband so Natur und Architektur. Diese Verbindung von Natur und Architektur ist auch zentrales Thema der Malereien: unzählige Blumen, Ranken und Vasen in verschwenderischer Fülle zieren nahezu alle Flächen des Pavillons im Innern, gegliedert durch vergoldete Holz- oder Stuckleisten oder gerahmt durch Kartuschen.

 
 

Ursprünglich mit Wellblech(!) gedeckt führten die komplizierten Dachanschlüsse zur Kuppel und den Ecktürmen – mit Austritt und Aussichtsplattform und schwieriger Dachentwässerung – bald zu Bauschäden, denen man begegnete, indem dem Bau ein (über)großes Schutzdach überstülpt wurde, das den Dachüberstand ca. 3 Meter weit über die Traufe verlängert. Dieser „Schutzschirm“ besteht aus strahlenförmig der Traufe aufliegenden Holzbalken, in den Zwischenräumen mit kleinen Holzscheiten im Fischgrätverband ausgelegt und lagert außen auf einer ringförmigen Holzkonstruktion, die wiederum von zahlreichen Eisengußstützen (Wasserleitungsrohre) getragen wird, die zur Aussteifung mit rundbogigen Winkelblechen versehen sind. Diese Winkelbleche wie auch die Untersicht der hölzernen Schutzkonstruktion waren auf weißem Grund mit unzähligen Blumen bunt bemalt.

 
 
 
   
Die ursprünglich sehr leichte, luftige und offene Konstruktion des Gartenpavillons ermöglichte keine dauerhafte Wohnnutzung, sie war anfällig auf Klimaeinflüsse und kaum heizbar. Bald nach der Bauzeit wurden deswegen die ursprünglich offenen Balkone mit Fenstern versehen und auch die ehemals tiefer in die Fassade eingesetzten Türen im Erdgeschoß mit weiter in die Fassadenfront vorgesetzten Schiebetüren mit größerer Dichtigkeit verschlossen. Diese Einbauten neuer hölzerner Stockrahmen waren ebenso mit Reparaturarbeiten verbunden wie die Elektrifizierung des Baues. Zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der fassadenseitigen Holzflächen wurden Fenster und Türen dunkelgrün mit Ölfarbe gestrichen, die ursprüngliche holzsichtige Oberflächengestaltung wurde aufgegeben.

In den 1930er Jahren genügte der Pavillon den gewachsenen Komfortansprüchen der königlichen Familie bei weitem nicht mehr, ein großzügiger Anbau wurde dem Pavillon südlich angefügt. Zu diesem Zweck wurde die südseitige Gestaltung des Pavillons gravierend verändert: die gekuppelten Säulen der Portalanlage wurden ebenso beseitigt wie die gesamte Fassadendekoration der Südseite, die ehemalige Außenseite wurde zur Innenwand eines Ganges, der den Anbau mit dem Pavillon verbindet. Zur bequemeren Erschließung des Obergeschosses des Anbaus wurde der südöstliche Treppenturm neu als Wendeltreppe ausgestattet und auch die angrenzenden kleinen Nebenräume verloren ihre ursprüngliche Dekoration und dienen seitdem in einfacher Gestaltung der Erschließung. Wohl in den 1940er Jahren erfolgte eine Erweiterung dieses Anbaues auf der Westseite: die ehemalige symmetrische Konzeption des Anbaus wurde aufgegeben und durch weitere Räume und ein großzügiges Treppenhaus ersetzt. Mit diesem Umbau verloren auch die südwestlich situierten kleinen Eckräume des Pavillons ihre ursprüngliche Dekoration. Mit diesen Erweiterungsbauten einher gingen immer wieder Renovierungsarbeiten und Übermalungen im Innern des Pavillons und auch die Fassade wurde mehrmals neu gestrichen. Heute dominiert in der Außenansicht nur noch von der Nordseite der Pavillon, von den anderen Blickrichtungen dominieren die Erweiterungsbauten.

(Die Baubeschreibung beruht teils auf einem Exposé von Prof. Emmerling, das dieser 2007 zusammen mit Architekt Ozod-Seradj und Restaurator Thomas Schoeller nach einem Besuch des Kuti-e Baghtscha in Kabul angefertigt hat. Auch viele der hier dargestellten Fotos wurden freundlicherweise von Herrn Prof. Emmerling zur Verfügung gestellt).

 
 
Grundriss EG
Anbau und Kuti-e-Baghtscha
Grundriss OG
         
   
Chronologie Kuti-e Baghtscha  
1880/81
Baubeginn; Bauherr: Amir Abdul Rahmann („Eiserner Emir“)
 
     
1882
Einweihung
 
     
vor 1896






Hinzufügung eines umlaufenden Schutzdaches (vgl. zahlreiche andere Bauten dieser Zeit in Afghanistan). Die ursprüngliche Dachabdeckung mit Wellblech wird ersetzt/ergänzt durch eine große „pilzartige“ Konstruktion aus gusseisernen Säulen, die ca. 3 m allseitig den Bau umringen. Abdeckung ebenfalls mit Blech. Die vier kuppelartigen Bekrönungen der Ecktürmchen bleiben erhalten, ebenso die zentrale Kuppel.
 
     
1901 – 1919


(Regierungszeit Amir Habibulla Khan 1901 – 1919)
An die Balkone und Fenster werden neue Holztüren bzw. -Fenster hinzugefügt.
 
     
1912 – 1915



Erste Elektrifizierung des Gartenpavillons (in Kabul wird die königliche Palastanlage als erster Komplex vollständig elektrifiziert). Im Gartenpavillon sind Reste der Kabelführung an den Beleuchtungskörpern am Kuppelfuß erhalten.
 
     
 
     
1919 – 1929

(Regierungszeit König Amanullah)
Nutzung als erstes afghanisches Museum.
 
     
vor 1928

Die ursprünglich weiße Fassade (Kalkanstrich) wird zweifarben gestrichen (Kalkfarbe): Erdgeschoß weiß, Obergeschoß grün.
 
     
1930er Jahre



Südseitig wird an den Sommerpavillon ein Anbau angefügt. Damit wird eine Wohnnutzung durch die älteste Tochter des Königs nach ihrer Heirat mit General Abdul Wali ermöglicht. Der Architekt dieses Anbaus ist derzeit unbekannt.
 
     
1950 – 1973

Aufbewahrungsort historischer Manuskripte, die von König Zaher Shah im ganzen Land gesammelt wurden.
 
     
1978-79


Kommunistischer Umsturz.
Sowjetischer Einmarsch. Während der sowjetischen Besatzungszeit Nutzung des Sommerpavillon als kleines ethnographisches Museum.
 
     
 
     
1990/91


Restaurierung des Sommerpavillons durch afghanische Fachkräfte in der Regierungszeit von Präsident Najibullah; Durchführung der Arbeiten durch Kunsthandwerker.
 
     
um 1995 Erhebliche Schäden durch zufälligen Beschuss.  
     
2002/03

Erste Reparaturversuche im Innern und Reparatur des Blechdaches, Arbeiten abgebrochen.
 
     
2007


Wintersicherung insbesondere des Daches um weiterer Schäden in den Wintermonaten vorzubeugen (finanziert durch die Gerda-Henkel-Stiftung und das Auswärtige Amt, ausgeführt durch Architekten Ozod-Seradj)
 
                                 
 
                                 
Baumaterialien
Der Pavillon ist aus gebrannten Ziegeln mit Kalkmörtel und Lehm(unter)putzen errichtet. Für die Säulenschäfte wurden die Ziegel entsprechend zurechtgearbeitet; Formziegel standen offensichtlich nicht zur Verfügung. In erheblichem Umfang dienen Hölzer als konstruktive Elemente: Die Aussteifung der Wände erfolgt durch gebeilte Balken, ohne dass von einem „klassischen“ Fachwerk gesprochen werden kann. Die Traufen der Balkone z. B. bestehen aus einer Unterkonstruktion von entsprechend gebeilten Balken, die spantenförmig verbunden und mit Bandeisen gesichert sind. Zahlreiche Zugstangen verklammern einzelne Bauteile miteinander, etwa die Doppelsäulenpaare. Sicher sind in die Konstruktion zahlreiche Schlaudern und Spannanker eingebaut. Alle Stuck-, Putz und Feinputzarbeiten sind mit Gipsmörtel ausgeführt.

 
 

Als Bodenbelag sind heute Nadelholzdielen (EG, Zentralraum) und unterschiedliche Estriche sowie Zementverstriche erkennbar, vereinzelt sind kleine Nebenräume gefliest. Die Türen und Fenster bestehen teils aus Harthölzern (Eiche und/oder Nussbaum), teils aus Nadelhölzern. Die Glasscheiben sind auffällig dick (ca. 6–8 Millimeter). Die äußere Sockelverkleidung besteht aus weißen Marmorplatten. Die Eisenarmierungen der Platten haben zu zahlreichen Rostsprengungen geführt. Aus Marmor gefertigt sind auch die Stufen der erneuerten Wendeltreppe im Südosten und die volutenartigen Zierelemente seitlich der äußeren Treppenstufen. Nach der Literatur waren den Stufen liegende Löwenfiguren aufgestellt. Aus Marmor gefertigt waren in den angrenzenden Gartenanlagen auch im griechisch-römischen Stil gefertigte Architekturversatzstücke, Gartenbänke und Gartenmauern. Auffällig ist die breite Anwendung von Blechen (Dacheindeckung), auch als Abdeckung an den Balkonbekrönungen mit U-förmigem Querschnitt. Die Kuppel ist als Holzspantenkonstruktion ausgeführt, mit Rabitzverkleidung. Trotz der erheblichen baulichen Eingriffe und zahlreicher Erdbeben sind keine gravierenden statischen Schäden offensichtlich.
Die Ausmalung im Inneren erfolgte auf sorgfältig geglättetem Gipsputz. Als Bindemittel dienten für die Malereien ursprünglich wässerige Substanzen.
Offensichtlich waren alle bemalten Flächen ursprünglich mit unterschiedlich glänzenden (Harz-)Überzügen versehen und so wohl Majolikaverkleidung der Wandflächen vorgestellt. Alle „Vergoldungen“ sind aus Schlagmetall und anschließend lackiert. Seit der Elektrifizierung dienten verzinnte und bemalte Eisenbleche als Leuchtkörper. Alle Holztüren im Inneren sind mit Lacküberzügen auf Hochglanz poliert und mit glänzenden Messinggarnituren versehen gewesen.
 
   
 
                         
 
                             
                             
3. ÜBERBLICK ÜBER NOTWENDIGE ERHALTUNGSMAßNAHMEN
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Die Schäden am Pavillon sind erheblich:

Dacheindeckung
Die mangelhafte Dacheindeckung muss vollständig erneuert werden, ebenso die Eindeckung der beiden noch erhaltenen Ecktürme und die Kuppeleindeckung. Defekt und vollständig zu erneuern sind auch alle anderen Flaschnerarbeiten (Dachentwässerung, Balkonabdeckungen, Brüstungsabdeckungen).

Fassade
Die Putzschäden an der Fassade sind erheblich. Etwa ein Drittel des Dekors ist verloren und alle anderen Flächen zeigen Sprünge, Hohlstellen, (geringe) Salzausblühungen und unzählige Bestoßungen. Während der Arbeiten an den Marmorverkleidungen und im Anschluss an Fenster- bzw. Türstöcke sind Teilerneuerungen an Grenzflächen erforderlich. Jedoch sind von allen relevanten Zierelementen Belegflächen vorhanden, so dass eine vollständige Wiederherstellung der Fassade ohne „Erfindung“ neuer Formen gewährleistet ist. Der Fassadenanstrich muss vollständig erneuert werden. Die älteren Kalkschichten sind sämtlich so schadhaft, dass sie mechanisch abgenommen werden müssen, somit die Freilegung der Fassade notwendig ist.

 
 

Bodenbeläge

Nahezu alle Bodenbeläge sind zu heben bzw. umfassend instand zu setzen, in Einzelfällen sind Bodenbeläge der 1940er Jahre zu bewahren.
Die ursprüngliche Ausstattung mit Teppichen ist verloren.


Türen und Fenster, Holzflächen
Alle Türen und Fenster sind defekt und müssen ausgebaut und umfassend restauriert werden. Nahezu alle Beschläge wurden entwendet. Unzählig sind Bestoßungen und kleinere Schäden an den Holzflächen. Die Oberflächen aller Hölzer sind innen und außen mehrmals überlackiert. Alle späteren Anstriche erfolgten mit Ölfarbe, die häufig auffällig krakeliert und gealtert ist. Alle späteren Anstriche auf dem Holzwerk sind verbraucht und teils so dickschichtig aufgetragen, dass die Ornamente nicht mehr zu erkennen sind. Sie müssen abgenommen werden. Trotz der Schäden ist die Substanz der Holzflächen als „gut“ zu bezeichnen, die Schäden betreffen überwiegend die Oberflächen. Nahezu alle Beschläge müssen erneuert werden (die Messingbeschläge wurden ursprünglich als Katalogware aus Europa bezogen.)


 
 

Malereien und Stuckarbeiten

Die Malereien im Innern wurden zu verschiedenen Zeiten nach unterschiedlichen Konzepten restauriert. Überwiegend erfolgten dabei großflächige Übermalungen. In größeren Teilbereichen fanden vollständige Neubemalungen statt, Form- und Motivauswahl orientierten sich dabei am Bestand. Die Rekonstruktionen sind überwiegend in einer akzeptablen Qualität ausgeführt, die Übermalungen durchweg qualitätvoll aber mit ungeeigneten Bindemitteln: die Farbe der Übermalung ist vergilbt und dunkel verfärbt: der ursprüngliche duftige Charakter der Bemalung ist verloren. Diese Übermalungen sind abzunehmen. Ebenfalls bei früheren Restaurierungen wurden Lack- und Schutzüberzüge auf die Malereien aufgebracht, die gleichfalls dunkel verfärbt sind und den Charakter der Malerei völlig verfälschen. Alle diese vergilbten Überzüge sind abzunehmen. Nahezu alle bemalten Flächen zeigen in Folge der Verwahrlosung der letzten Jahre extreme Gefährdungen der Malschicht, kaum eine Fläche im Pavillon ist ohne dramatische Schollenbildung erhalten. Alle bemalten Oberflächen müssen gefestigt und die Malschicht niedergelegt werden. Ähnlich umfangreich wie an der Malschicht sind die Schäden an den „Vergoldungen“, auch hier sind umfangreiche Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten erforderlich. In etlichen Fällen (z. B. Einwölbungen über den Balkonen) sind die Malereien (und Stukkierung) restlos verloren und umfangreiche Erneuerungen und Rekonstruktionen erforderlich.
Die Schäden an den Stuckarbeiten sind beträchtlich. Nahezu alle Flächen zeigen Abstoßungen, viele Decken- bzw. Gewölbeflächen sind so beschädigt, dass umfangreiche Rekonstruktionen erforderlich werden. Mit wenigen Ausnahmen sind für alle verlorenen Stuckdetails entsprechende Vorlagen vorhanden.

 
 

Haustechnik

Die gesamte Haustechnik muss erneuert werden, sämtliche Leuchtkörper sind bis auf erhaltene Fragmente verloren.

Wasser/Sanitär, Wasserversorgung
Im Haus Kuti-e Baghtscha wird keine Wasserversorgung installiert. Dies wird sämtlich im Nebengebäude zu installieren sein. Die vorhandenen Leitungen sind zerstört und müssen ausgebaut werden.
Um das Haus zukünftig nutzen zu können, sind ausreichend Toiletten- und Waschräume zu planen. Auch eine Küche ist einzurichten.
Das Haus Kuti-e Baghtscha ebenso wie das Nebengebäude muss temperiert werden, d.h. eine Heizungsanlage ist einzubauen.

 
 

Garten

Den Quellen ist zu entnehmen, dass der Garten ursprünglich mit verschieden duftenden Rosenarten bepflanzt war. Zwischen einzelnen Beeten verliefen marmorgepflasterte Wege. Auch ein Wasserspeier wird beschrieben. An den Stufen zum Eingang des Pavillons waren zwei marmorne Löwen postiert, die aus Indien eingeführt worden waren.
(Quelle: J.A. Gray (1895) At the court of the Amir).
Ziel ist es, bei der Neuanlage die historisch beschriebene Form eines orientalischen Gartens wieder herzustellen.
Die Pflanzen lassen sich alle in Afghanistan beschaffen. Geplant ist u.a., Duftrosen aus einem Projekt der Welthungerhilfe e.V. in Nangarhar zu beziehen.

(Der Überblick über die notwendigen und geplanten Erhaltungsmaßnahmen beruht großteils auf dem Exposé von Prof. Emmerling, das dieser 2007 zusammen mit Architekt Sekandar Ozod- Seradj und Herrn Thomas Schoeller nach einem Besuch des Kuti-e Baghtscha in Kabul angefertigt hat.)

 
 

Verfügbarkeit von Material und Fachkompetenz für die Restauration

Vor Ort erhältlich sind alle erforderlichen Steinmaterialien (auch Marmor), alle Hölzer und auch alle sonstigen für Rohbau erforderlichen Materialien incl. Rüstmaterial. Auch die einschlägigen Gewerke für haustechnische Belange sind in Kabul vorhanden.
Die Planungen gehen davon aus, dass weitest möglich einheimische Fachkräfte in die baulichen Arbeiten und auch in die handwerklich restauratorischen Arbeiten integriert werden. Die Arbeiten können in Anbetracht der Qualität nur optimal durchgeführt werden, wenn eine Bauleitung ständig präsent ist und die Arbeiten überwacht, anleitet und fördert.
Laut Auskunft aller beteiligter Fachleute sind auch Zimmerleute, Bautischler, Stukkateure, Fachkräfte für Estricharbeiten und andere Gewerke, wenn nicht in Kabul, so doch in Afghanistan zu rekrutieren – die unlängst z.B. durch die Aga Khan Foundation durchgeführten Restaurationsarbeiten in Kabul, Herat und anderen Städten belegen, dass der erforderliche Standard mit ortsansässigen Kräften durchaus zu erreichen ist. In Afghanistan sind auch Kunstmaler und Vergolder tätig, die ggf. bei anstehenden rekonstruierenden Arbeiten eingesetzt werden können.
Keine zuverlässige Information liegt bisher über die Qualität hinsichtlich „echter“ restauratorischer, konservatorischer Arbeiten vor – es ist zu vermuten, dass diese Arbeiten ohne dauernde Anleitung von Fachkräften aus dem Ausland nicht in der erforderlichen Qualität gewährleistet werden können. Deswegen ist es notwendig, dass während der gesamten Bauarbeiten eine restauratorische Betreuung und aktive Mitarbeit durch mindestens 1 – 2 Personen stattfindet. Im Idealfall könnten anstehende Fragen hinsichtlich Materialanalysen, Farbmittelbestimmung etc. durch Kooperation etwa mit dem Lehrstuhl für Restaurierung der TU München geklärt werden.
 
   
 
   
Bisher durchgeführte Maßnahmen:
Im November 2007 wurden erste Sicherungsmaßnahmen am Gebäude durchgeführt. Finanziert wurden diese Maßnahmen von der Gerda-Henkel-Stiftung (10.000,00 €) und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.000,00 €)

Entrümpelung
Im Haus und auf den umgebenden Freiflächen war über die Jahre Schutt, alte Möbel und Müll gelagert worden. Die Entfernung und Entsorgung aller nicht zum Gebäude gehörigen Bauteile und Müll wurde in Abstimmung mit der afghanischen Regierung veranlasst. Alle zum Gebäude gehörigen Bauteile wurden sichergestellt und sachgemäß eingelagert.

Wintersicherung
Um das Hausinnere nicht weiter den Witterungseinflüssen in den Wintermonaten (Schnee- und Regen) fast schutzlos auszusetzen, wurde eine Notsanierung der Dachhaut, insbesondere die Ausbesserung der vorhandenen Zinkblechabdeckung einschließlich der Unterkonstruktion und Schaffung von kontrollierten Regenwasserabläufen durchgeführt.

Sicherungsmaßnahmen zur Vogelabwehr
Um die weitere Beschädigung und Verschmutzung durch nistende Vögel zu verhindern, wurden an Vorsprüngen und Gebäudeöffnungen Maschendraht angebracht.

 
   
 
                         
 
                             
                             
4. FUNKTION 
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Die ursprüngliche repräsentative und eher museale Funktion des Pavillons Kuti-e Baghtscha – vielleicht am ehesten einem kleinen Lustschlösschen im Westen entsprechend - soll beibehalten werden. Das Gebäude war nie als Aufenthaltsort im Sinne einer Wohn-/ Beherbergungsstätte konzipiert. Dies soll auch beibehalten werden.

Das an der Nordseite den Gartenhof begrenzende „Freitag-Haus“ Khana e Shab e Juma ist untrennbar - wie die an den anderen Seiten den Garten umschließenden Mauern mit diesem und entsprechend auch mit dem Pavillon verknüpft. Funktional sollte dieses Gebäude entsprechend auch wieder als Versammlungshaus für Empfänge – vergleichbar dem westlichen Rauchersalon dienen.

 
   
 
   
Das im Südosten des Gartens gelegene rechteckige Haus, das in seiner Funktion eher einem Bedienstetenhaus entspricht und die ursprüngliche diagonale Eckausbildung verunklart sollte zumal in Anbetracht seines verwahrlosten Zustandes und seiner baulichen Qualität abgerissen werden.
Der mit dem Pavillon konkurrierende Anbau aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sollte in seiner Wertigkeit herabgesetzt werden. Dies könnte z.B. durch die Loslösung der beiden Baukörper und Ausbildung einer baulichen Fuge realisiert werden.

Die afghanische Regierung benötigt ein Wohngebäude für Gäste – sozusagen ein VIP-Gebäude an diesem Ort.
An der südöstlichen Seite des Gartenhofs könnte ein neues Gebäude als schmaler Riegel konzipiert werden. Die Wohnungen / Suiten dieses Neubaus könnten diagonal zur Loggia des „Freitag-Hauses“ Khana e Shab e Juma gelegen über einen sich zum Garten hin öffnenden Laubengang erschlossen werden.

 
                                 
                                 
                                 
5. ZEITPLANUNG
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Erstrebenswert wäre ein Baubeginn für die Sanierung des Pavillons im Frühjahr 2009. Im Vorfeld könnten die umfangreichen Planungsarbeiten angegangen werden. Auch bauvorbereitende Maßnahmen am Haus können in den Wintermonaten Januar/Februar 2009 bereits geschehen.

 
 
                                 
                         
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